Die Wechseljahre im Auge

Veröffentlicht am: 9. Februar 2021
Autor: Prof. Dr. med. Petra Stute
Stv. Chefärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Frauenklinik Inselspital Bern

Hintergrund

Das Licht durchdringt den optischen Apparat (= Hornhaut, Kammerwasser, Linse und Glaskörper) und trifft dann auf die Netzhaut mit den Photosensoren. Alle Bestandteile des Auges können von den Wechseljahren betroffen sein.

Erkrankung der Linse: Grauer Star (Katarakt)

Der Graue Start ist weltweit die Hauptursache von Erblindung. Er tritt meist bilateral auf. Frauen sind häufiger als Männer betroffen (Prävalenz im 65.-74. Lebensjahr: w (25%) > m (14-20%)). Risikofaktoren sind u.a. Alter, Nikotin und Alkohol, Sonnenlicht, niedriger Bildungsgrad, Metabolisches Syndrom und Diabetes mellitus, (systemische/topische) Glukokortikoide, Augentrauma, -bestrahlung, Uveitis und Skleritis. Schutzfaktoren sind frühe Menarche und späte Menopause. Eine populationsbasierte Prävalenzstudie an 1239 US-Amerikanischen Frauen im Alter von 65-84 Jahren zeigte protektive Effekte durch eine derzeitige Hormonersatztherapie (HRT) (OR 0.5, 95% KI 0.3-0.7) (Freeman EE et al., Arch Ophthalmol 2001). Die Blue Mountains Eye Studie untersuchte 2072 Frauen ≥ 49 Jahren, von denen 1343 nach 5 Jahren nochmal untersucht wurden. Für Frauen, die jemals eine HRT angewandt hatten, war das Risiko für einen Katarakt niedriger als für Nie-HRT-Anwenderinnen (OR 0.7, 95% KI 0.4-1.0) (Younan C et al., Am J Epidemiol 2002).

Erkrankung der lakrimalen Funktionseinheit: Trockenes Auge (Keratokonjunktivitis sicca)

Die lakrimale Funktionseinheit besteht aus Tränendrüse, Augenlider und Kornea. Ihre Störung kann sich als Trockenes Auge äussern. Frauen sind häufiger als Männer betroffen (Prävalenz ≥ 50. Lebensjahr 5-30%). Zu den Risikofaktoren zählen u.a. Alter, weibliches Geschlecht, Kontaktlinsen, trockene Umgebung, Augenoperation, Hormonmangel (v.a. Androgene), Mikronährstoffmangel (z.B. Vitamin A), systemische Erkrankung (Diabetes mellitus, M. Parkinson) und Medikamente (Antihistaminika, Anticholinergika, Östrogene, Isotretinoin). Das Sjögren Syndrom ist eine systemische Autoimmun-Exokrinopathie mit inflammatorischer Infiltration der Tränendrüsen, welche eine Tränenhyposekretion zur Folge hat. Symptome des Trockenen Auges sind Trockenheit, Brennen, Fremdkörpergefühl, rote Augen, Dauertränen, Lichtempfindlichkeit und verschwommenes Sehen. Eine konventionelle Östrogen-Gestagen-HRT kann die Entwicklung eines Trockenen Auges begünstigen (Schaumberg DA et al., JAMA 2001; Erdem U et al., Maturitas 2007). Dagegen reduzieren (systemische, lokale) Androgene die Symptomatik (Golebiowski B et al., Br J Ophthalmol 2017).

Veränderung des Augeninnendrucks: Grüner Star (Glaukom)

Die Form des Augapfels wird durch die Hüllen (Skleren) und einen gegenüber der Umgebung erhöhten Augeninnendruck (10-21 mmHg) gewährleistet. Für die Konstanz des Augeninnendrucks ist das Gleichgewicht zwischen Produktion und Abfluss des Kammerwassers entscheidend. Das Glaukom ist eine optische Neuropathie, d.h. eine Augenerkrankung unterschiedlicher Ursache, die einen Verlust von Nervenfasern zur Folge hat.

Ursache ist ein Missverhältnis von Augeninnendruck und Durchblutung des Sehnervs. Somit können alle Bedingungen, die einerseits zu einem erhöhten Augeninnendruck oder andererseits zu einem verminderten Perfusionsdruck im Sehnervenkopf beitragen, ein Glaukom verursachen. Die Prävalenz beträgt 3.5% weltweit (m > w). Das primäre Offenwinkelglaukom ist eine durch degenerative Veränderungen entstehende Abflussbehinderung im Kammerwinkel. Eine frühe Menarche und späte Menopause reduzieren das Risiko für ein Offenwinkelglaukom (Lee AJ et al., Br J Ophthalmol 2003; Pasquale LR et al., J Glaucoma 2007). Eine HRT verbessert die Augendurchblutung (Battaglia C et al., Menopause 2004). Die Studienlage zum Einfluss einer HRT auf das Risiko für ein Offenwinkelglaukom ist heterogen (Zetterberg M, Maturitas 2016). Eine reine Östrogentherapie reduziert den Augeninnendruck, wohingegen eine Östrogen-Gestagen-HRT oder Tibolon keinen Effekt haben (Uncu G et al., Gyn Endocrinol 2006).

Erkrankung der Retina: Makuladegeneration

Die Retina kleidet fast die ganze Bulbusinnenseite aus. In der Retina befinden sich die Photorezeptoren, Zapfen und Stäbchen. Diese bestehen aus einem lichtsensitiven Aussenglied, das über ein Übergangsstück mit dem Innenglied verbunden ist. In die ca. 800 Membranscheibchen des Stäbchenaussengliedes und in die kammerförmig eingefaltete Plasmamembran der Zapfenaussenglieder sind die Sehfarbstoffe eingelagert. Die Aussenglieder werden laufend dadurch regeneriert, dass alte Membranscheibchen an der Spitze abgestossen und neue vom Innenglied nachgeschoben werden. Die abgestossenen Scheibchen werden vom Pigmentepithel phagozytiert, die Stäbchen morgens und die Zapfen abends. Störungen dieser Phagozytose können zu Makuladystrophie oder –degeneration mit fortschreitendem Sehverlust führen. Die Makuladegeneration umfasst eine Gruppe von Retinaerkrankungen, die die Macula betreffen. Bestandteil der Macula ist der „Punkt des schärfsten Sehens“ (Fovea centralis), dessen unterschiedliche Zellen einem allmählichen Funktionsverlust erliegen. Folge ist das Nachlassen der zentralen Sehschärfe. Die Makuladegeneration ist der häufigste Grund für Erblindung bei Menschen 50+ in Industrieländern. Man unterscheidet eine trockene (80%) und feuchte (exsudative) Form. Eine frühe Menarche und späte Menopause sind protektiv. Mehrheitlich wird ein schützender Effekt durch hormonale Kontrazeptiva und HRT beschrieben (Zetterberg M, Maturitas 2016).

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